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Silicea

Unser Weg zum Verständnis des AMB von Silicea begann mit Nachforschungen über die Charakteristika der Kristalle. Typische Begriffe zu Silicea finden wir bereits in den folgenden naturwissenschaftlichen Aussagen:
Kristall (griech. krystallos), ein ursprünglich nur für Eis gebrauchter Name.

Kristalline Stoffe zeichnen sich durch ihren regelmäßigen Aufbau mit einer ausgeprägten Fernordnung aus.

Festkörper sind Stoffe, die einer Änderung ihrer äußeren Form oder ihres Volumens und einer Trennung in ihre Bestandteile einen großen Widerstand entgegensetzen. In vielen Fällen zeigen Festkörper bei einer Formänderung unter äußerem Zwang das Bestreben, wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzukehren.

Entropie (griech. entrepein = umkehren) ist ein Maß für die Unordnung eines Systems. Man versteht darunter das natürliche Bedürfnis von Stoffen, sich zu verteilen.
Wenn Entropie als ein Maß der Unordnung aufgefaßt werden kann, dann sollte dem idealen Festkörper, der als idealer EINKRISTALL den höchstmöglichen Ordnungsgrad besitzt, und dem am absoluten Temperaturnullpunkt alle entziehbare Wärme entzogen worden ist , nach quantentheoretischen Vorstellungen die Entropie Null zugeschrieben werden. Gerade dies ist die Aussage des Nernst'schen Wärmesatzes.

Jeder Prozeß, der Entropie verringert, verbraucht Energie (Wärme).
Jeder Prozeß, der Entropie vergrößert, setzt Energie frei.

Alles natürliche Geschehen wird regiert von dem Bestreben nach Zunahme der Entropie und Abnahme der Energie.
Wir "verbrauchen" ständig Energie, um als "zus.-geknäulter" Mensch zu existieren, müssen ständig gegen die Entropie arbeiten, also Energie aufnehmen.

Entropie ändert ihre Größe nur bei irreversiblen Prozessen. Daher kann man in der Änderung ein Maß der Nichtumkehrbarkeit eines Vorgangs sehen.
Wärmefluß von einem wärmeren zu einem kälteren Körper ist irreversibel.
Nach der Quantentheorie sind die Freiheitsgrade nur bei bestimmten Mindestenergien anregbar. So werden, vom absoluten Nullpunkt aufsteigend, die möglichen Freiheitsgrade sukzessive angeregt.

Die Substanz - der Bergkristall

Im AMB von Silicea finden wir Attribute analog zum Bergkristall: klar, hart, kalt, starr.

Chemisch betrachtet besteht dieser Kristall aus Kieselerde SiO2. Von diesem Siliciumdioxyd leiten sich verschiedene Säuren ab.

Silicium ist (neben dem Sauerstoff) das am weitesten verbreitete Element der Erdkruste. Es kommt in der Natur vorwiegend - in mehr oder weniger unreiner Form - als Sand und Quarz vor.
Den klaren Quarz nennt man Bergkristall. Er gilt als Aschenputtel unter edlen Steinen, weil es ihn, wie gesagt, in großen Mengen gibt - Blöcke bzw. Drusen bis zu einer Tonne Gewicht wurden gefunden. Obwohl seine vielfältigen Erscheinungsformen wahre Kleinodien sein können, wird er wegen seines inflationären Vorkommens nicht wertgeschätzt.

Der Bergkristall wird wegen seiner Härte vielfach in der Industrie verwendet. Nur mit großem mechanischen Aufwand kann er zerteilt werden, chemisch angreifen kann ihn nur die Flußsäure.
Der Bergkristall kann sich allerdings auch selbst zerstören; er kann spontan zerspringen bei der Erfüllung seiner Aufgabe, negative Energien zu neutralisieren und die Atmosphäre zu reinigen. Er "opfert" sich also, um zu heilen. (Das naturwissenschaftliche Äquivalent: Kieselgur ist neben Aktivkohle das andere bekannte Adsorbens, d.h. es dient dazu, Stoffe aller Medien an der Oberfläche eines Festkörpers festzuhalten.)

Eine alte Legende erzählt, Bergkristall sei ursprünglich heiliges Wasser gewesen, das Gott vom Himmel gegossen habe. Während das heilige Wasser zur Erde floß, gefror es im äußeren Weltall zu Eis. Dieses heilige Eis wurde dann auf wunderbare Weise durch Schutzengel in Stein verwandelt, damit es für immer kalt bleiben, nicht aber schmelzen und zerlaufen würde. So blieb das heilige Wasser in fester Form zum Schutz und Segen der Menschheit erhalten.
Der Bergkristall gilt als Symbol für unsere Wachstumsprozesse und für unser Bemühen um Klarheit.

Der Fuß oder die Wurzel des Kristalls ist dicht, undurchsichtig, bräunlich, mit der Erde verhaftet. Darauf folgt ein individueller Anteil mit Einschlüssen (von z.B. Mineralien, Wasser und Luft), oft sichtbar als Schleier (des Unbewußten ?), darüber eine klare Spitze (das Bewußte ?).

Die Sechsseitigkeit des Kristalls wird in Verbindung gebracht mit den sechs unteren Chakren, die Spitze repräsentiert das Scheitelchakra. Der Bergkristall kann auf jedes Chakra gelegt werden, er löst innere Knoten und läßt unseren Energiebahnen wieder freien Lauf. "Sobald die heilende Essenz der Quarzkristalle in der Seele der Menschheit schwingt, tut sich vor unserem Auge die Welt der Hoffnung und Freude auf."

Hildegard von Bingen (1098-1179) nutzte ebenfalls, nach einer Vision über die Entstehung des Bergkristall, die wir hier gerne wiedergeben möchten, seine Heilkraft.
"Der Kristall wird von den kalten Wassern geboren, welche einen bräunlichen Farbton haben. (Wenn etwas) aus der Luft kommendes dieses Wasser berührt, wird am bestimmten Platz das Wasser durch die Kälte zu einer Art Masse erstarrt, und es gerinnt zu etwas Festem, wie wenn es das Herz des Wassers wäre. Wenn dann noch die Wärme der Luft oder der Sonne dazukommt, dann nimmt sie dieser Masse durch ihre Erwärmung die weißliche Trübung, welche sie hatte. So wird sie ziemlich klar, doch kann sie durch die Wärme nicht aufgelöst werden. Dann kommt wieder Kälte dazu, welche diese Masse noch mehr festigt und klärt. Diese Kälte ist so stark, daß keine Wärme ihr beikommen kann, auch wenn ein ringsherum gehäuftes Eis schmilzt. So entsteht der Kristall, das heißt der Bergkristall."
In der Edelsteinmedizin der Hl. Hildegard spielt der Bergkristall ein wichtige Rolle als Heilmittel. Zum Beispiel beschreibt sie, wie er bei Sehstörungen helfen soll:
"Wenn sich die Augen umfloren, erwärme einen Bergkristall in der Sonne und lege den warmgewordenen Stein oft auf die Augen. Weil seine natürliche Art vom Wasser stammt, zieht er die Unsäfte aus den Augen und so wird der Betroffene besser sehen."
Bei Drüsenschwellungen und Kropf empfiehlt Hildegard, Wein über den sonnenerwärmten Stein zu gießen und oft davon zu trinken. Darüberhinaus nehmen wir im Sinne der hl. Hildegard Zuflucht zum Bergkristall bei Herzbeschwerden, Herzjagen, bei körperlicher Schwäche und verminderter Leistungskraft, bei übermäßigem Schwitzen und Skrofulose.

Traditionelle Anwendungen

Der Anteil der Kieselsäure im gesamten menschlichen Körper ist verschwindend gering. Im Bindegewebe, vor allem in Haaren und Nägeln, ist sie jedoch reichlich vorhanden und bildet den stützenden Faktor des Gewebes. Interessant ist, daß dort der Metabolismus sehr langsam vor sich geht, eine Parallele zum AMB Silicea: Alle Symptome entwickeln sich sehr langsam. Genauso typisch für das Mittel ist seine langsame Wirkung.

Die herkömmliche Anwendung von grobstofflichem Silicea in Form von Kieselsäuretabletten und -gels dient zur Vorbeugung gegen Kieselsäure-Mangelerscheinungen, d.h. zum Aufbau einer festen Struktur von Haaren, Zähnen, Nägeln und Knochen. Das gesamte Gewebe wird gestärkt.
Bei Julius Mezger finden wir über die Wirkung reiner Kieselsäure sinngemäß:
- Erhöhung der Körpertemperatur bei Einspritzung
- Anregung der Phagozytose
- Milzvergrößerung mit Vermehrung der Retikulum- und der Pulpazellen
- Leberschwellung mit serös sklerosierenden Entzündungen; zirrhoseähnliche Zustände können sich zeigen
- besondere Bedeutung bei Vernarbungsprozessen

Das Arzneimittelbild SILICEA

Vorbemerkung:
Silicea kommt aus dem Lateinischen. Die Endung auf -a bedeutet, daß es bei der Deklination dem weiblichen Genus angehört. Deshalb werden wir in den folgenden Ausführungen oft von "sie", bzw. "ihr" sprechen. Das bedeutet keine Präjudikation für die Anwendung nur bei Frauen. Das AMB trifft für Männer ebenso zu.

Das Silicea-Kind

An Silicea erinnern wir uns bei den dünnen, mageren Kleinkindern mit auffallend großem Kopf - typisch der weitausladende Hinterkopf und der aufgetriebene Bauch. Die faltigen, greisenhaft aussehenden Säuglinge (Lyc.) wirken auf uns wie alte (weise und wissende?) Seelen.

Bei diesen Kindern sind sowohl die Assimilation der Nahrung - dadurch entsteht der schlechte Ernährungszustand - als auch die Dissimilation gestört. Durch Letzteres sind die Absonderungen zersetzt, dünnflüssig und übelriechend, da der Metabolismus nur unvollkommen funktioniert und die Stoffwechselprodukte nicht vollständig abgebaut werden. Die erwähnte Assimilationsstörung kann sich sehr früh in Unverträglichkeit von und Abneigung gegen (Mutter-) Milch zeigen. Lebensspendende, wärmende Energie wird abgelehnt! Silicea Kinder können Durchfall von Milch bekommen. ("Erbrechen in sauren Klumpen" finden wir bei Calc.carb.)
Die Kinder sind oft appetitlos wegen früh beginnender eitriger Mandelentzündungen.

Die Langsamkeit der Entwicklung, z.B. das wochenlange Zahnen zum entwicklungsrichtigen Zeitpunkt, spricht für Silicea (im Ggs. zum verspäteten Beginn des Zahnens bei Calc.). Diese Kinder bemühen sich etwa mit 1 Jahr, laufen zu lernen, es gelingt aber dann erst mit 17 Monaten.

Das Silicea-Kind ermüdet sehr rasch und erweckt dadurch leicht den Eindruck mangelnder Intelligenz. Es ist jedoch so, daß es nur haushälterisch mit seinen geringen körperlichen Kräften umgeht, geistig aber ist es sehr rege. (Im Bergkristall ist, wie in unserem kollektiven Gedächtnis, das Wissen um die Entwicklung, die Wandlungen und die kosmischen Energien, die seit Jahrtausenden unser Erdenwachstum leiten, programmiert.)
Ähnlich wie Calcium neigt Silicea bei der geringsten Anstrengung bereits als Säugling zu heftigen Schweißen, nicht nur am behaarten Kopf, im Gesicht und am Nacken, sondern auch an Händen und Füßen.

Das Silicea-Kind hat keine typische Wuchsform, kann also pyknisch oder asthenisch sein. Es ist frostig, dünn, schmal mit feinem Knochenbau, feiner Haut, feinem (blonden) Haar - mit einem Wort: Es gleicht einem durchsichtigen, zerbrechlichen Engelchen.
Auch die Empfindungen und Empfindlichkeiten sind feiner als bei anderen Kindern. Die dünne physische Hülle repräsentiert die psychische "Dünnhäutigkeit"; folglich reagiert dieses Kind auf seine Umwelt differenzierter, sensibler und manchmal schwierig nachvollziehbar. Es muß sich eher als andere Kinder in sich zurückziehen, weil es sich der Einmischungen von außen mit seiner dünnen Hülle nicht erwehren kann. Es fühlt sich ausgeliefert.
Läßt es diese Eindrücke dennoch zu, dann hält es re-agierend oft hartnäckig sensibel an ihnen fest.
Vithoulkas schreibt, daß ein Silicea-Kind, einmal ermahnt, kein 2. Mal dieselbe Ermahnung braucht, weil es sie nie wieder vergißt, denn es ist stark geprägt von dem Wunsch, den Vorstellungen anderer zu entsprechen.

Auch das Bedürfnis nach Sicherheit, entstanden aus dem Gefühl für die eigene Verletzlichkeit, hat bereits von dem Kind Besitz ergriffen. Jede Veränderung und Neuheit wird angstvoll erlebt.
Das Resultat: das eigensinnige - sich selbst bestimmende - und deshalb widerwärtig und unwillig erscheinende Kind einerseits oder

das wohlerzogene - nur nicht vom vorgegebenen Weg abweichen - , gedrillt wirkende andererseits. Die Rigidität, mit der das Kind alternativ auf Erziehung reagiert, entspringt derselben hohen Sensibilität auf Umwelteinflüsse.

Hier bereits können wir die Wurzeln des starrköpfigen Erwachsenen finden: die Unterdrückung von eigenen Impulsen aus Angst vor den ungewissen Konsequenzen.
Diese Ängstlichkeit kann sich auf alle Bereiche übertragen. "Was wird mir passieren, wenn ich im Sportunterricht eine ungewohnte Übung machen soll?" Sich dem Wasser "auszuliefern" beim Schwimmunterricht oder gar beim Tauchen, stellt das Silicea-Kind vor unlösbare Probleme wegen der angsterregenden Neuheit.
Entwicklung eines Kindes heißt: beinahe täglich Neues ausprobieren und das Neue ins Verhaltensrepertoire übernehmen. Wenn dies aber Angst macht, werden wir die zaghafte, verlangsamte Entwicklung verstehen, denn neue Impulse werden nicht freudig begrüßt, sondern müssen vorsichtig geprüft werden, bevor sie übernommen werden können.

Zur Angst vor den ungewissen Konsequenzen des eigenen Handelns kommt letztlich die Angst vor dem Mißerfolg hinzu. Das Kind ist schließlich klug genug, um genau zu wissen, was von ihm erwartet wird.
Wenn es sich auf ungewohntes Terrain begibt, will es sicher sein, daß es alles richtig macht. Laut vor der Klasse lesen oder antworten, wenn der Lehrer es aufruft, kann zur unüberwindlichen Hürde werden - aus Furcht vor dem Versagen. Silicea-Kinder wissen die korrekten Antworten, aber sie zweifeln unbeirrbar an sich selbst.
Sie wirken schließlich sehr schüchtern und "nichts-sagend", trotz hoher Intelligenz. Auch kleine Aufgaben können bereits im: "Ich kann nicht, ich will nicht!" enden.
Obwohl sie häufig klassische Musikinstrumente spielen, werden sie aus der gleichen Mißerfolgsangst heraus selten bei einem Vorspiel anzutreffen sein. Die Angst vor einer eventuellen Blamage ist oft

größer als der Stolz, die erlernten Fähigkeiten vorzuführen.

Eine andere Ausprägung der Unflexibilität der Silicea-Kinder, ihr scheinbarer Gleichmut, beruht in Wirklichkeit auf unnachgiebiger Beharrlichkeit. Coulter beschreibt z.B. das im Internat unglückliche Kind, das durch Nichtbeantwortung der elterlichen Briefe und Ablehnung ihrer Telefonate unterschiedliche Methoden des passiven Widerstandes beharrlich ausprobiert, um bei den Eltern sein Ziel zu erreichen: Es will wieder nach Hause. Und die Eltern werden (auf Dauer) nachgeben.
Unnachgiebigkeit wird auch diktiert von dem Bestreben nach der Erfüllung von Wünschen; von ihren exakten Vorstellungen sind Silicea-Kinder nicht abzubringen. Heranwachsende bestehen auf ganz bestimmten Kleidungsstücken, die haar(!) -genau so sein müssen wie erwartet. Ein Einkaufsbummel kann für alle Beteiligten zur Qual werden. Zum Schluß stimmt das Kind dann doch dem Kauf eines von der Mutter ausgewählten Kleidungsstückes zu, wird es aber wahrscheinlich nie tragen.

Die mangelnde Flexibilität der eigenen Vorstellungen läßt alle guten Ratschläge und Ideen an den eigenen glatten Wänden abprallen. Dieser Unverrückbarkeit begegnen wir noch häufiger: z.B. im einmal gebildeten Urteil über Mitmenschen, was zu großen Problemen führt, Freunde und Partner zu finden; oder auch im ausgeprägten Heimweh oder dem tränenreichen Abschied vor der 8-tägigen Klassenreise - Ausdruck für die unstillbare Sehnsucht nach der gewohnten häuslichen Umgebung.

Das AMB von Silicea kann bereits im frühestkindlichen Stadium angelegt sein. Nehmen wir die Härtnäckigkeit und das Attribut "chronisches Mittel" hinzu, wundern wir uns nicht, daß wir im AMB des erwachsenen Silicea oft dem Kind wiederbegegnen.

Henriette

Henriette besucht das Gymnasium. Unter all den im modernen Einheitslook gekleideten Schülern fällt sie sehr schnell auf. Sie ist ein schlankes, flachbrüstiges Mädchen, dessen halblange blonde Haare ihrem schmalen Gesichtchen mit den kristallklaren, wasserblauen Augen einen feinen Rahmen geben. Schüchtern wie sie ist, sucht sie sich auf dem von quirligen Schülern wimmelnden Schulhof eine ruhige Ecke, um ihr säuberlich verpacktes Pausenbrot zu verzehren. Der hellblaue Faltenrock und die weißen Söckchen in Lackschuhen ergänzen die weiße Hemdbluse, deren Kragen, hinten leicht hochgestellt, vorne den Blick auf eine kleine weiße (Perlen-) Kette freigibt.
Sie hofft inständig, daß niemand sie auf den kommenden Tanzkurs anspricht. Was sollte sie nur antworten, nach ihrer Teilnahme gefragt. Sie will nämlich nicht. Diese ungehobelten Jungs würden ihr dann doch entschieden zu nahe kommen. Schon der Gedanke an diese Berührungsmöglichkeit (bis zum Tango versteigt sie sich lieber nicht) treibt ihr eine leichte Röte ins Gesicht. Sie wird es vorziehen, die kommende Geschichtsarbeit noch gründlicher vorzubereiten. Sie weiß zwar bereits alle Daten auswendig, aber ob das reicht???
Nein, auch zum Schwimmen heute nachmittag möchte sie lieber nicht gehen. Wer weiß, ob sie nicht einer der Rüpel ins Wasser schubsen würde. Es wäre doch zu peinlich, dann kreischend und prustend - wie die anderen - herauszukommen und sich womöglich noch rächen zu müssen, um das Gesicht nicht zu verlieren.

Sie würde schon gerne einen Freund haben, aber schon ihre unvollkommene Vorstellung von der Entwicklung einer solchen Freundschaft - flirten, schmusen und vielleicht noch mehr - läßt sie schaudern. Und was wohl ihre Eltern dazu sagen würden?
Sie hätte dann ja auch kaum noch Zeit, ihren musikalischen Neigungen nachzugehen, die Ballettstunden müßte sie sicherlich auch kürzen.
Viel lieber ist sie in ihrem gemütlichen Zimmer in der elterlichen Villa, schmückt es mit allerlei liebevollen Kleinigkeiten und schmökert, in den warmen Ohrensessel gekuschelt, in den "Geschichten aus 1000 und einer Nacht".
Im übrigen glaubt sie nicht daran, daß es auch nur einen einzigen jungen Mann gibt, der sich ernsthaft für sie interessieren könnte, unscheinbar und unwichtig, wie sie sich fühlt. Sie kommt nicht auf die Idee, daß sie durch ihre angstvollen Gedanken und ihre schüchterne Zurückhaltung eine (Glas-) Wand zwischen sich und ihren Altersgenossen errichtet.

Ihr Wunsch nach Nähe und Liebe wird kaum zugelassen; es muß sehr langsam wachsen und reifen, damit all ihre "Wenns und Abers" keine Bedeutung mehr haben müssen. Vielleicht kann ihr dabei ein rücksichtsvoller, wohlerzogener und liebevoller Mann, geduldig wartend, helfen.

Vom Kristall zum Menschen

Klar

Bergkristall ist nicht lupenrein, sondern geprägt von Einschlüssen, Rissen, Ecken und Kanten. Gerade die sichtbaren Unvollkommenheiten machen einerseits seine Klarheit und andererseits seine Einmaligkeit aus.
Im AMB Silicea finden wir diese morphologischen Eigenschaften im übertragenen Sinne wieder. Natürlich ist dieser Mensch nicht durchsichtig, aber die Besonderheit und Vielzahl der körperlichen Beschwerden von Silicea legen diese Assoziation an die Unvollkommenheiten nahe:
- Abszesse an Drüsen und Gelenken, Fissuren, Rhagaden
- aufgesprungene Haut und aufgesprungene Lippen
- Risse in den Mundwinkeln
- Katarakt
- Fisteln
- mißgestaltete Nägel (gerieft, gespalten, weiße Flecke)

Auf der geistigen Ebene äußert sich diese Klarheit in folgenden Wesensmerkmalen: Rechtschaffenheit, Integrität, liebevolle Fürsorge den ihr Anvertrauten gegenüber, Verläßlichkeit, Hilfsbereitschaft, Bedürfnis nach Sauberkeit, Sinn für Ästhetik, kulturelles Bewußtsein und last, but not least, ihre stark ausgeprägte Gewissenhaftigkeit.

Ihre Rechtschaffenheit und Integrität hindern sie an Unwahrheiten, selbst Notlügen läßt sie nicht zu. (Ehrlich währt am längsten!) Wie der Kristall nimmt sie lieber unter großem Energieverbrauch - unbewußt - negative Folgen für sich in Kauf.
Unverbrüchlich hält sie an ihren Freundschaften und damit verbundenen Idealen fest. Sie gerät unter großen Druck, wenn sie vor der Wahl steht, sich zwischen Freundschaft oder Rechtschaffenheitsgefühlen zu entscheiden. Schon das Hineinschmuggeln einer mittellosen Freundin in einen Vortrag bereitet ihr schlaflose Nächte und viel Herzklopfen. ("Bedenken des Gewissens über Lappalien", Hering) Sie zeigt den Konflikt jedoch nicht, sondern kehrt ihn nach innen und plagt sich dort mit der Lösung ab.
In den Symptomen "zaghafter Stuhl, Stuhl schlüpft zurück, Obstipation" begegnet uns die ganze Misere dieses psychischen Phänomens auf der körperlichen Ebene wieder. In beiden Fällen erfolgt eine langsame innere Vergiftung, weil sie sich nicht traut, ihre inneren und äußeren Exkremente loszulassen.

Eine Silicea-Persönlichkeit fällt durch ihre Ordnungsliebe und Sauberkeit auf. Hier ähnelt das AMB dem von Arsen. Die Wohnung ist blitzblank und liebevoll mit dekorierenden Kleinigkeiten geschmückt. Ihr Arbeitsplatz ist sehr aufgeräumt, die Unterlagen fehler- und vor allem fleckfrei, die Handschrift wie gemalt. Ihr Hang zum Perfektionismus kann zum Problem werden, denn genau hier fängt die pathologische Seite an: Alles soll richtig, genau richtig sein und den Ansprüchen genügen, die scheinbar von außen gesetzt sind, aber von ihr selbst noch höher geschraubt werden. Durch ihre Peinlichkeit in Kleinigkeiten verliert sie leicht den Überblick. Arbeiten, die Sulfur in 2 Stunden erledigt, für die Arsen 3 Tage braucht, finden bei Silicea nur mit Mühe überhaupt ein Ende.
Immer wieder von Zweifeln geplagt, ob nicht doch noch etwas zu verbessern sei, verwirft sie Möglichkeit um Möglichkeit, um zum Ende ihrer Arbeit zu kommen (Zaghaftigkeit). So ist sie schließlich in Versuchung aufzugeben. Nur ihre Zuverlässigkeit hält sie dann davon ab. Sie vertraut ihrer eigenen Kompetenz nicht.
Wird sie in einem solchen Falle von außen unterstützt, wird ihr Mut gestärkt, dann reißt sie sich zusammen und bringt eine gute Arbeit zu einem guten Ende. Worüber sie sich selbst am meisten wundert!

Wie schon bei den Kindern erwähnt, fehlt es Silicea an Selbstvertrauen, Mut und Durchhaltevermögen. Geistige Arbeiten ermüden sie trotz aller Intelligenz zutiefst und der Gedanke an das, was noch vor ihr liegt, erschreckt sie. Er bringt sie davon ab, überhaupt anzufangen (Angst vor literarischer Arbeit).

Typisch ist Siliceas Art sich auf eine Prüfung vorzubereiten. Sie wird zu jedem Thema alles Auffindbare lesen, unbekannte Worte nachschlagen, die Richtigkeit des Lernstoffs überprüfen. Sie kommt vom Hundertsten zum Tausendsten. Dadurch wird sie müde und erschöpft, und sie wird Verspannungen im Rücken bekommen. Ganz allmählich zieht ein Schmerz vom Nacken hoch über den Hinterkopf bis zur (rechten) Stirn. Ihr Hirn wird immer leerer und der Druck der noch auf sie wartenden Arbeit immer schwerer. Sie kann das, was sie liest, nicht mehr aufnehmen und gerät schließlich in Panik. Sie ist fest davon überzeugt, daß sie die Vorbereitung nicht rechtzeitig schaffen und die Prüfung nicht bestehen wird. Auch dieser Prozeß beginnt schon sehr frühzeitig und entwickelt sich - wie alles - ganz langsam, aber unaufhaltsam.
Sie generalisiert die Prüfungsangst auf alle zukünftigen Anforderungen, hegt tiefste innere Zweifel an ihren eigenen Fähigkeiten. Dann kann sie auch keine Verantwortung mehr für Aufgaben übernehmen, deren Erfüllung durchaus im Bereich ihrer intellektuellen Fähigkeiten läge. (Wahnidee: Alles wird fehlschlagen; Angst, nach oben zu schauen; Angst vor der geforderten Leistung) Lieber bleibt sie unter ihrem Niveau und hat ihre (Seelen-) Ruhe.
Ihre Selbstzweifel können mit fortschreitender Pathologie zu tiefer Depression und zu Lebensüberdruß führen. (Traum vom Ertrinken; Selbstmord durch Ertrinken)
Beiläufig sei erwähnt, daß Silicea ihre Prüfung mit Glanz und Gloria bestehen wird.

Hart

Quarzkristalle - und somit auch der Bergkristall - liegen auf der 10-stufigen Mohs'schen Härteskala der Mineralien zwischen 7 u. 8, nur noch von Korunden (Saphir und Rubin) und Diamanten übertroffen.

Nehmen wir die Vision der hl. Hildegard von der Entstehung des Bergkristalls als wahr an, so erleben wir einen sehr langsamen, langdauernden Prozeß, um vom weichen, fließenden, anpassungsfähigen Wasser zur harten, eckigen, unnachgiebigen Struktur des Steins zu kommen.

Im AMB Silicea finden wir auch hier eine Entsprechung, auf der körperlichen wie auf der psychischen Ebene. Diese Menschen neigen dazu, Verhärtungen auszubilden:
- harte Drüsenschwellungen, zervikal, axillar, parotid, inguinal, Talgdrüsen, Mamma
- arteriosklerotische Veränderungen der Gefäße
- kalkartige und arthritische Ablagerungen i.d. Gelenken
- chronische Gerstenkörner (DD Staph.- akute Gerstenkörner)
- Karbunkel, Abszesse, Keloide, Fibrome usw.

Darüberhinaus werden harte Strukturen im Körper angegriffen. Wir finden im AMB:
- brüchige Knochen,
- verstärkte Brustkyphose u. Lendenlordose
- Knorpelerkrankungen
- Knochenkaries, bes. Proc. mastoideus
- Knochenentzündung
- verkrümmte Knochen
- Exostosen
- Ganglion am Handgelenk
- lockere und kariöse Zähne

Diese Verhärtungsprozesse begegnen uns auch im psychischen Bereich:
Wie bereits beim Kind beschrieben, lernt auch ein Silicea-Erwachsener rasch und einprägsam, was seine Umwelt von ihm zu fordern scheint und welche Erwartungen in ihn gesetzt sein könnten. Er wehrt sich nicht dagegen, sondern schließt diese an ihn gestellten Forderungen als "Verhärtungen" in sich ein.
Eine Patientin wird so im Laufe einer von ihr auf Silicea- Art geführten Ehe innerhalb eines Jahres 10 kg leichter, obwohl sie normal ißt. Ihre leicht barocken Formen - mehr dem Puls.-Bild entsprechend - straffen sich zunehmend. Besonders ihre füllige Hüftpartie - Umhüllung des Gefühlsbereichs, des Haras - wird schmaler und schmaler. Früher aus ästhetischen Überlegungen immer gezwungen, Röcke zu tragen, paßt sie bald spielend in Hosengröße 36.
Sie, die von Natur aus Füllige, wird hager, hart und begrenzt.
Es braucht 10 Jahre, um in diesen pathologischen Silicea-Zustand zu kommen.

Die Sililicea, voller Ideale (gemütliches Heim, sauber, liebevoll gestaltet), wird z.B. dem geliebten Mann eine Geburtstagstorte backen (scheinbar triviales Beispiel). Wenn diese - oder andere - liebevollen Gesten zurückgewiesen werden, wehrt sie sich nicht etwa mit einer gesunden wütenden Reaktion gegen die Nichtachtung, sondern nimmt das Verletzte in sich auf. Sie wird nie wieder backen (im Ggs. zu Nat-mur.), die innere Verhärtung beginnt.
Nach außen wird sie sich - ganz das flexible Wasser - um neue Liebesbeweise bemühen. Das kann so weit gehen, daß sie in ihrem grenzenlosen Willen, alles richtig zu machen (denn natürlich ist es i h r Fehler, daß ihm die Torte nicht gefällt), jedes Interesse, jedes noch so merkwürdige Hobby ihres Mannes mit ihm teilen wird; unter Hintanstellung all ihrer eigenen Wünsche. Weitere Nichtbeachtung dieser Anpassungswilligkeit führt auf Dauer zu einer endlosen Schraube von "erlittenen" Verhärtungen - mit der großen Überschrift: Ich wollte doch alles richtig machen.

Dieser Wunsch entspringt nicht dem Opportunismus von Lyc. oder der Opferhaltung von Nat-m., sondern einem mangelnden Selbstbewußtsein und der schnellen Beeindruckbarkeit durch andere.
Alles, was andere machen, scheint besser und anerkennenswerter.

Silicea-Menschen brauchen sehr viel liebevolle Ermutigung und Ansporn, wenn sie ihren eigenen Standpunkt leben und ihre Ziele erreichen wollen. Fehlt dieser Zuspruch, ändern sie zwar ihre Meinung nicht (ein Geburtstag ohne Torte ist kein Geburtstag), setzen diese Haltung aber auch nicht um. Sie verkapseln ihre Wünsche, werden hart und leisten höchstens passiven Widerstand. Wie die Patientin, die trotz Widerwillens mit in den Skiurlaub fährt, ihre Skier aber demonstrativ zu Hause läßt.
Ihre Unfähigkeit, die eigenen innersten Motive zu verwirklichen und zu leben, wird so sehr verdrängt, daß wir folgerichtig als massives, körperliches Symptom (perlschnurartige) Knoten i.d. Brust finden.

Wie sie diesen Verdrängungsmechanismus ihrer eigenen Persönlichkeit in ihrer Partnerschaftsbeziehung "löst", welche Konsequenzen sie daraus zieht, darauf werden wir später eingehen.

Kalt

In einem alten Lexikon fanden wir den Satz: "Der Bergkristall ist sogar vor dem Lötkolben unschmelzbar". Also eisiger als Eis?
Typisch für Silicea ist das, was im Repertorium mit "Mangel an Lebenswärme" beschrieben wird, nämlich ihre extreme Frostigkeit. Auch diesen Aspekt finden wir in der Hildegard'schen Entstehungsvision wieder.

Die Selbstbeschreibung einer Patientin, der das Arzneimittel Silicea dann sehr guttat: "Kalte Füße, kalte Hände, kaltes Herz". Silicea ist so frostig, daß ihr selbst bei Bewegung nicht warm wird. Sie hat das Bedürfnis, sich dick anzuziehen, kauert sich gegen die Kälte zusammen und traut sich nicht, sich zu bewegen, da ihr dabei wieder kälter wird (Hering).
Ihr Zähneklappern und Zittern ist mitleiderregend. Sie mag den Winter verständlicherweise nicht besonders und ist naßkalter Witterung hilflos ausgeliefert. (Hep.: > feuchte Witterung, < trockene Kälte)
Es ist fruchtbar für sie, sich abends fröstelnd auszuziehen und von vornherein zu wissen, daß es sehr sehr lange dauert, bis sie sich im Bett erwärmt und nicht mehr zittert. Es ist, als ob sogar die Energie fehlt, das Bett anzuwärmen. Erneute Frostschauer löst die unbedacht unter der Bettdecke hervorgestreckte Hand aus.

Apropos Bett: Nur dort ist " es " gut zugedeckt vorstellbar. Das Symptom < durch Koitus rührt vielleicht vom Verströmen aller Energie her. Silicea ist nicht fähig, dabei Wärme aufzunehmen. Im Gegenteil, ihr wird der letzte Rest an Wärme genommen. Auch in diesem sensiblen Bereich wird sie geleitet durch das vorherrschende Motiv: Alles richtig machen! Die eigenen Vorstellungen den Wünschen des Partners in dieser Ausschließlichkeit anzupassen, kann zu immer weniger Spaß an der körperlichen Liebe führen.
Mit dem Silicea-eigenen Bedürfnis nach Diskretion verlassen wir erst einmal dieses "heikle" Thema und kehren zum Wetter zurück.

Sie reagiert sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen. Dies äußert sich z.B. im Nachfrieren: Warmes Zimmer bessert zwar, aber kommt sie aus der winterlichen Kälte in einen warmen Raum, so ist das normalerweise zwar wohltuend, bei ihr aber löst dieser Wechsel erst einmal Zittern und Frostschauer aus. Sie braucht überdurchschnittlich lange, bis die äußere Wärme in ihr Innerstes vordringt.

Traum: "In einer klaren Vollmondnacht (< Vollmond) fahre ich mit der Seilbahn auf einen 3000 m hohen Berg. Der Himmel sieht tiefschwarz aus, der Schnee strahlt überirdisch glitzernd weiß. Es ist furchtbar kalt dort oben.
An einem geschützten Platz steht ein anheimelnd wirkendes, gemütliches Café in warmem Lichterglanz (Sehnsucht nach Wärme). Daneben ist eine Bobbahn aufgebaut, die ich mit meinem Auto durchfahren muß. (Ich weiß nicht, wer mir den Auftrag gegeben hat) Zur Belohnung darf ich mich im Café wärmen.
Meine Angst vor der kurvenreichen, glatten Strecke ist sehr groß. Ich fühle mich völlig überfordert, möchte aber das warme Ziel erreichen. Natürlich meistere ich die Aufgabe.
Kaum bin ich aus dem Auto ausgestiegen, springen mir 3 schwarze Kobolde in den Weg und sagen, daß ich die ganze Nacht durchfahren muß und nur kurze Pausen im Café einlegen darf.
So entwickelt sich der Traum zum Perpetuum mobile. Ich kann niemals den Tee im Warmen genießen, die Angst vor dem erneuten Start und einem Scheitern verhindert das. Außerdem ist die Zeit für die Pause so knapp bemessen, daß mir nie richtig warm wird."

Silicea-Menschen brauchen unendlich viel wärmende Energie von außen. Der warme Ofen, der brennende Kamin, 2-3 Wolldecken, nur kein geöffnets Fenster und warme Bäder tragen zu ihrem Wohlbefinden bei.
Merkwürdigerweise verträgt sie keine warmen Speisen, hat sogar Abneigung dagegen. Sie ißt und trinkt lieber kalt. Inwendig Wärmendes wird als Fremdkörper empfunden. Wie bereits das Silicea-Kind lebensspendende Energie ablehnt, lehnt der Erwachsene innere Wärme ab - sie könnte zum angstmachenden Auftauen führen.

Noch ein paar Worte zu den schon beim Kind erwähnten Schweißen von Silicea. Sie neigt zu starken Schweißabsonderungen, bes. an Kopf, Gesicht, Nacken und "unüberriechbar" an den Füßen. Er wird als sauer oder widerlich riechend, die Socken zerfressend beschrieben. Der Betroffenen hilft kein Waschen und keine noch so akribische Körperpflege. Es hilft einfach nichts; selbst davonzulaufen brächte keinen Erfolg. So ist es nicht verwunderlich, daß - bedingt durch ihr Reinlichkeitsbedürfnis - hier mit allerlei Pülverchen und Deodorantien dem Übel zu Leibe gerückt wird, mit all den bösen Folgen der palliativen Unterdrückung.

Starr

Der Eindruck von Starrheit, den alle Quarze beim Betrachter wecken, wird beim Bergkristall duch seine Weis(s)heit, seine Ecken, scharfe Kanten und Zacken noch verstärkt.
Die analogen Beschwerden von Silicea passen dazu: z.B. vorzeitige Alterssklerose, Sklerodermie, M. Bechterew.
Die Halsstarrigkeit in jeder Hinsicht ist der Schlüssel zum weiteren Verständnis von Silicea. Sie neigt im fortgeschrittenen Stadium der Pathologie dazu, auf ihren Standpunkten und Verhaltensweisen - sanft, aber bestimmt - zu beharren. Gutgemeinte Ermutigungen und Anregungen werden als unangemessene Einmischung empfunden. Sie fühlt sich unter Druck gesetzt und sähe sich gezwungen, selbsterrichtete Grenzen zu überschreiten. Das macht sie reizbar und ärgerlich. Ausnahmsweise wird sie jetzt ihren Unmut übertrieben laut kundtun:"Ich will so bleiben wie ich bin, und niemand wird mich ändern!" Aber lieber hält sie an ihren Prinzipien fest, ohne sich zu äußern.( Traum: kann nicht schreien. ebf. Ars.)
Dieses Festhalten finden wir auf der körperlichen Ebene wieder im Bewahren von eingedrungenen Fremdkörpern. Ihr Körper gibt sie nur über mühsame, langwierige Eiterungsprozesse frei. Hierfür ist Silicea eines der Hauptmittel.

Mangelndes Durchsetzungsvermögen gepaart mit Mangel an Selbstbewußtsein macht es ihr unmöglich, anderen laut streitend ihre Ansichten aufzuzwingen. Sie hat genügend Energie (Härte), Druck zu widerstehen, aber nicht genug, aktiv Druck zu machen. In einer Diskussion hört sie eher still zu und nickt hie und da zustimmend. Sollte sie anderer Meinung sein, so wird sie das für sich behalten. Einerseits hält sie ihren Beitrag für viel zu unbedeutend, zum anderen scheut sie nichts so sehr wie die offene Konfrontation. Vertritt sie doch einmal eine konträre Meinung, so auf entschuldigende Art und Weise und in der Hoffnung, ihrem Gegenüber nicht weh zu tun.

Siliceas Schwächen wie die Nachgiebigkeit, ihr Mangel an Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen sowie ihre Schüchternheit und Ängstlichkeit, die bereits in der Kindheit ihre Wurzeln haben können, erklären ihr großes Bedürfnis nach Sicherheit. Sie lehnt Neues und Veränderungen in jeder Form erst einmal ab. Nach dem Motto "Hier weiß ich, was ich habe" scheut sie die Eroberung neuer Lebensbereiche und fährt lieber in altbekannten Gleisen. Das kann soweit gehen, daß nach einem Umzug z.B. die alten Geschäfte und Ärzte beibehalten werden, auch wenn sie noch so weit entfernt sind. Die Mühe der Anfahrt (lieber mit der Bahn als mit dem Auto) steht für Silicea in keinem Verhältnis zu der Aufregung und Sorge, die das Anknüpfen neuer Beziehungen mit sich brächte.
In dieses Bild der Beharrlichkeit fügen sich die " fixen Ideen " von Silicea lückenlos ein. Einmal von ihnen gepackt, hält sie unabänderlich daran fest. Die klassische Variante dieses Themas ist ihr Verhältnis zu Nadeln. Im Repertorium erscheint sie als Wahnidee: sieht Nadeln. Silicea kann sich äußerst unbeirrbar zeigen: denkt nur an Nadeln, sucht überall Nadeln, glaubt, eine Nadel verschluckt zu haben, hat Angst vor Nadeln (Spritzen). Aus tiefenpsychologischer Sicht liegt der Gedanke an Penetrationswünsche und -ängste nahe.
Das Gefühl eines Haars auf der Zunge wird ebenfalls ausdauernd gepflegt.

Die Unflexibilität führt zusammen mit der Angst vor dem Mißerfolg manchmal in die Zwanghaftigkeit. So widmet sich z.B. ein Wissenschaftler mit absoluter Ausschließlichkeit einem Thema. Nichts anderes ist für ihn noch von Bedeutung. Oder ein Autor legt seine ganze Kraft und Energie darein, einen Roman ohne "e" zu schreiben,(Gadsby, E.V.Wright), wobei die Frage nach der Effizienz für ihn völlig unbedeutend ist (DD: Sulfur).
Manchmal äußern sich fixe Ideen auch in Gewissensbissen über kleine Fehler. Das Schuldbewußtsein ist übertrieben groß: fühlt, als hätte sie großen Fehler begangen. Kleine Nachlässigkeiten werden zu überproportionalen Problemen aufgebauscht und hemmen neue Anfänge. Belanglos hingeworfene (kritische) Bemerkungen anderer ziehen tagelanges Grübeln nach sich und verunsichern zutiefst.

Gefühle

Die kristallinen Eigenschaften des Bergkristalls/der Silicea

- k l a r, h a r t, k a l t und s t a r r - bestimmen auch das Gefühlsleben.

Silicea verwendet all ihre Energie darauf, erstens nicht verletzt zu werden und zweitens nicht aufzutauen.

Zum ersten Punkt gehört ihr Schwarzweißmuster mit dem sie ihre Mitmenschen in ein Ja-Nein-Raster sortiert. Schattierungen scheint es nicht zu geben; Sie würden ihre Ordnung durcheinanderbringen. Dadurch begibt sie sich der Möglichkeit, Menschen, die sie nicht akzeptiert, näher kennenzulernen, Irrtümer zu sehen und ihren Horizont zu erweitern. Ihre einmal gefaßte Meinung ist irreversibel. Da ihre Schablonen recht eng und anspruchsvoll gestaltet sind, ist es sehr schwierig für sie, Freunde und Partner zu finden. Außerdem hat sie, die von Natur aus eigentlich Nachgiebige, gelernt, daß sie mit eben dieser Nachgiebigkeit immer wieder scheitert. Daher bleibt sie lieber allein.
Ihre Starrheit verleiht ihr einen gewissen Schutz vor Verletzungen, wird zum Panzerhemd, das ihr Contenance gibt. (Dieser Schutzmantel läßt die vielen kleinen Einschlüsse, wenn überhaupt, nur ahnen, berühren kann man sie nicht. Es sei denn, man zerstörte ihn.) Silicea lebt in der Angst, daß diese feste Schale durch Erschütterungen Risse bekommt und damit ihr Inneres für unerwünscht Eindringendes erreichbar wäre (Angstträume von Erdbeben).

Der ihr Verhalten durchdringende Vorsatz, alles richtig machen zu wollen, beherrscht auch ihre Gefühle. Beherrschung ist wahrlich ihre "größte" Tugend. Sie traut es sich einfach nicht zu, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, weil sie sich dann verletzbar zeigen könnte. Und wer weiß schon genau, was sonst noch dabei herauskäme. So schließt sie ihre Empfindungen lieber ein und hält sie unter großem Energieaufwand (Energie = Wärme) verschlossen. Der Bauch, das Hara, der Sitz der Gefühle, alles wird hart. (Abdomen hart, 3-Wertig) Verständlicherweise rumoren diese Emotionen dort im Verborgenen, und das Symptom von Hitze im Bauch (3-Wertig) rundet unser Bild ab.

Ihren nicht lebbaren Gefühlen ermöglicht sie nur einen Ausweg über den Intellekt. Ratio ist ihr Lebensprinzip. Sie bietet ihr die Möglichkeit, über (dem) Wasser (des Lebens) zu bleiben. Eintauchen in das Element der Gefühle hieße, sich dem Chaos preiszugeben, Strukturen fallen zu lassen, sich zu versprühen, Wärme (Energie) zu gewinnen (s. Def. Entropie).

Damit wären wir beim zweiten angsterregenden Punkt angelangt: nur nicht auftauen.
Eis auftauen bedeutet, ein flüssiges Medium, einen weicheren Aggregatszustand anzunehmen - ein sehr energiezehrender Prozeß. Ihre Energie jedoch wird benötigt, um den Kopf (Verstand) klar und rein und funktionstüchtig zu erhalten. (Ermüdung durch geistige Arbeit). Er nimmt in ihrem Leben eine wichtige und (be)lastende Position ein.(Gefühl, Kopf sei zu groß).

Die bereits erwähnten Kopfschmerzen, die zur rechten Stirnhälfte ziehen, sind ein wichtiges Symptom im AMB:
Die rechte Gehirnhälfte repräsentiert die Gefühlsebene. Silicea empfindet es also als schmerzvoll, sich ohne "Wenn und Aber" auf ihre Empfindungen einzulassen. Ihr Kopf dirigiert gleichsam den Umgang mit der Nähe zu ihrem Geliebten. Ein partnerschaftlicher Prozeß scheint ihr sehr riskant: Ausgang offen !?
Sie hat in jeder Hinsicht Angst vor Berührung. Denn berührt werden heißt, sich selbst spüren, und das könnte gerade wegen ihrer Intellektualität die eigenen emotionalen Defizite erkennen lassen. Auf so dünnes Eis begibt sie sich sicherheitshalber nicht, sondern wendet eine Vermeidungsstrategie an: Sie liest Liebesromane, kann sich ganz in der Welt der Romanhelden ausleben, findet dort ihre Identifikationsfiguren und kann sich ihre Realität - unverletzt - erhalten. Unbehelligt führt sie ein Leben aus zweiter Hand.

Die sehr kranke Silicea wird schließlich zum willenlosen Medium, das seine Kontrollfähigkeit weitgehend verloren hat. Ihre Ängste vor Dunkelheit, Geräuschen, Räubern, vor dem Schlaf und dem Tod spiegeln die über allem stehende Furcht vor dem wider, was nicht kontrolliert werden kann. Als Medium kann sie sich nicht mehr selbst steuern, ihre sie schützenden Strukturen brechen zusammen. Auch jetzt übernimmt sie nicht selbst die Führung in ihrem Leben, sondern stellt sich für die Emotionen und das Leben anderer zur Verfügung. Sich selbst fühlen ist so sehr aus ihrem Verhaltensrepertoire ausgeschlossen, daß sie die Kontrolle darüber anderen überläßt: Ihre eigene Persönlichkeit stirbt (Träume vom Tod).

Wir haben bereits die Zusammenhänge von rechter Gehirnhälfte und Gefühlsleben erwähnt. Die linke Körperseite - bekanntermaßen rechts-Hirn-gesteuert - symbolisiert die emotionale Seite eines Menschen Die Wahnidee, die linke Seite gehöre nicht zu ihr, bekommt durch die beschriebenen Kopfschmerzen rechts eine noch eindeutigere Dimension.
Das physische rechtsseitige Symptom hat also seine nachvollziehbare Entsprechung zum linksseitigen psychischen Symptom. Man könnte meinen, daß die rechte (Kopf-) Seite genau "weiß", was die linke Seite n i c h t tut. Die nicht zugelassenen Gefühle fordern ihr Recht.

Zur Wahnidee, sie sei geteilt, wollen wir ein sonderbares Symptom einer Patientin aufführen: Ein(e) Begleiter(in) muß immer links von ihr gehen. Sie läßt damit nicht nur ihre offene Mitte (weil ja geteilt) geschützt, sondern entspricht auch noch der Etikette. Als sie einmal versuchte, links zu gehen, hatte sie das Gefühl, in die Landschaft auszufließen, was ihr verständlicherweise als große Bedrohung erschien. Sie konnte gleichsam ihr linke Hälfte nicht festhalten.

Silicea hat die weitere Wahnidee, abgetrennt zu sein von der Welt, man glaubt, die Glasscheibe, die sie von anderen Menschen fernhält, förmlich zu spüren. Traumsequenz: "Ich bin in einem Glashaus. Es steht in einer wunderschönen, wild-bizarren, von Abgründen und Schluchten durchzogenen Landschaft. Sehnsuchtsvoll schaue ich in die von Sonne durchflutete Natur dort draußen, suche den Weg hinaus, finde ihn aber nicht. Trotzdem bin ich nicht verzweifelt."
Silicea ist alleine im Glashaus, sieht durch ihre Glaswände, pflegt ihr "Kästchendenken", weiß, wie sie leben könnte, hat Sehnsucht danach, aber ist nicht mehr in der Lage, Kompromisse zu schließen und zur natürlichen Unsicherheit einer Partnerschaft zu finden.
Traumsequenz: "Ich bin in einem Glashaus, so groß wie in einem botanischen Garten. Innerhalb des riesigen Raumes sind unendlich viele kleine Abteile durch große, schwere, schwarze Samtvorhänge entstanden, die auf allen Ebenen und in jede Richtung hängen." (Der Vergleich zu einem überdimensionalen Setzkasten liegt nahe.) "Ich reiße diese Vorhänge nacheinander auf, freue mich an dem Platz, den ich gewinne. Als ich die letzten oberen zur Seite schiebe, überwältigt und erschreckt mich zugleich das strahlende Licht, das nun ungehindert und wärmend zu mir durchdringt." (< Licht in jeder Form)
Wenn Silicea ihre Vorhänge aufziehen kann, ist sie auf dem Weg, sich selbst zu finden, der Weg zu ihrer eigentlichen Natur wird freier.
Siliceas Einsamkeit im Glashaus - ihre innere während der anpassungswilligen, nachgiebigen Phase - wird im fortgeschrittenen Stadium durch ihre Verhärtung auch zur äußeren Einsamkeit. (Die innerste Einsamkeit finden wir auch bei Fl-ac., der Flußsäure, dem einzigen Stoff, der den Kristall auflösen kann. Nicht aber erlösen !)

Sehr vereinfacht dargestellt äußert sich Krankheit in drei Bereichen: der Unfähigkeit zu arbeiten, zu entspannen und zu lieben.

Bezeichnenderweise wird Silicea z.B. bei erotischen bzw. sexuellen Störungen nicht erwähnt. Ihre Erotik gibt es scheinbar nicht. Sie zeigt sie nicht, obwohl sie heftiges sexuelles Verlangen haben kann. Das Symptom fehlende Menses steht stellvertretend für das Nicht-Frau-sein-Können der weiblichen Silicea.

Im AMB ist Silicea als Mittel mit wenigen psychischen Symptomen beschrieben, Geisteskrankheiten fehlen ganz. Ihre Umwelt nimmt ihre Störungen nicht wahr - ihre Haltung verhindert das. Sie hat genügend Mechanismen entwickelt, um ihre Psyche unberührt zu lassen, umso mehr leidet sie köperlich bis hin zu canzerösen Erkrankungen.

Die Charakterisierung von Silicea hat durch die Beschreibung der möglichen pathologischen Entwicklung bisher einen eher negativen Eindruck hinterlassen.
Wir wollen nun zurückkehren zur Silicea, wie sie uns sicher oft begegnet - in den hübschen, gepflegten, korrekten und feinsinnigen Menschen, die in vielerlei Berufen zuverlässig und akribisch arbeiten und ihren (arsenischen) Chefs eine wertvolle Hilfe im Hintergrund sind. Ihre Pünktlichkeit, Genauigkeit, ihr sanftes und anpassungsfähiges Wesen wird hochgeschätzt.
Trotz intensiver Überlegungen haben wir keine großen Silicea- Persönlichkeiten gefunden; möglicherweise liegt der Grund dafür in ihrer schüchternen Zaghaftigkeit.

Wenn Silicea krank zu werden droht, kann sie - neben dem Arzneimittel Silicea - im Märchen von "Amor und Psyche" des römischen Dichters Apuleus ihren Erlösungsweg finden. Psyche könnte Silicea sein.
Die große Mutter Aphrodite stellt Psyche vier Aufgaben. Durch ihre Bewältigung kann sie Amor, den Gott der Liebe, und sich selbst verwandeln und damit erlösen.

Wir wollen hier das Märchen nicht detailliert erzählen, sondern einen möglichen Erlösungsweg beschreiben:
In der 3. Aufgabe verlangt Aphrodite von Psyche, ein Kristallgefäß mit den Wassern der Quelle zu füllen, die die Unterweltströme speist. Sie soll das Wasser des Lebens, die große Kostbarkeit einfangen und für sich und andere bewahren.

Wenn Silicea diese Aufgabe lösen will, kann sie das nur, indem sie das Wasser in Bewegung hält, ohne Angst vor einem Überschwappen, vor Flutwellen, vor dem Ertrinken. Dadurch verhindert sie die Erstarrung, das Grundübel ihrer Leiden.

Sie muß aktiv sein, um die Aufgaben zu bewältigen, die ihr das Leben stellt. Dann kann sie ihren Weg zur Individuation gehen und l(i)eben, ohne sich selbst zu verleugnen.

Die kristallinen Silicea-Leitsätze:

"Erfahrungen, die man gemacht hat, soll man meiden"
und
"quidquid agis prudenter agas et respice finem"

wird sie als aktive, agierenden Silicea umwandeln in

AUDE VIVERE

 

Annelie Hoffmann und Christl Schneewind,
Samuel-Hahnemann-Schule, Mommsenstr. 45, 1000 Berlin 12